Teil 5: Ein hartnäckiges Pfefferkorn
Irgendwann in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird ein Kugeltopf aus Grauware, also ein damals typisches Keramik-Küchengeschirr, in der Bremer Altstadt in einer Kloake entsorgt. Ungefähr achthundert Jahre später, 1989, muss im Zusammenhang mit einem Hotelbau eine sogenannte Notgrabung unternommen werden: Die Bauarbeiter sind auf etwas gestossen, das nach Geschichte aussieht: Der hoch-mittelalterliche Topf. Und so wird der archäologische Dienst gerufen. Der zuständige Archäobotaniker findet im Zuge seiner Analysen zwischen Fäkalien, tierischem Mist, Abfall und Streumaterial die organischen Überresten von über 160 Pflanzenarten: Getreide, Feldfrüchte, Gemüse und Gewürze. Darunter auch ein rundes Pfefferkorn. Sensationell ist der Fund auch deshalb, weil er die Verwendung von Pfeffer nördlich der Alpen belegt und dies lange nach dem Untergang des römischen Reiches. Irgendwie muss der Handel zwischen der Hansestadt und Südostasien noch (oder wieder) funktioniert haben. Ältere Hinweise, aus dem 11. Jahrhundert finden sich nur in schriftlichen Quellen.
So hat das hartnäckige Pfefferkorn, nachdem es aus Asien nach Europa gebracht worden war, über Jahrhunderte hinweg in dieser Kloake ausgeharrt. Doch das Abenteuer sollte noch weiter gehen:
Zwanzig Jahre nach dem Fund, wurde das Pfefferkorn im Rahmen der Ausstellung: Aufbruch in die Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit nach Magdeburg ausgeliehen.
Auf seiner Rückreise nach Bremen, löste sich ein Wattepfropfen, den es vor Erschütterungen hätte schützen sollen und das drei Millimeter lange Pfefferkorn zerbrach. Auf Grund seiner Fragilität wurde eine Restauration ausgeschlossen.
Mit der vierstelligen Versicherungssumme, die als Schadenersatz an das Focke-Museum ging, wurde unter anderem eine Spezial-Vitrine angefertigt, in der nun das Pfefferkorn durch eine Lupe betrachtet werden kann.
Im Weser-Kurier vom 15. September 2012 schliesst der Journalist Jürgen Hinrichs seinen Artikel zur Beschädigung des Exponates folgendermassen; „Mit ein bisschen Fantasie kann man sich dann vorstellen, wie das damals war, als der Pfeffer noch in Gold aufgewogen wurde, weil die Händler so einen weiten und beschwerlichen Weg bis nach Europa und Bremen zurücklegen mussten – von der indischen Malabarküste über den Indischen Ozean und durch den Persischen Golf nach Basra und von dort mit Karawanen über Damaskus bis ans Mittelmeer… Irgendwann ist der Pfeffer dann auch in Bremen angelangt, und ein Korn davon blieb übrig.“
Bevor ich meine Reise ins Pfefferland angetreten hatte, hätte ich wohl die Zeitungsente überlesen. Heute fällt sie mir sofort auf!