Teil 6: Nicht alle Wege starten in Rom.
Das Imperium Romanum hat auch in seiner grössten Ausdehnung Indien nie erreicht, es kam nicht über das Schwarze Meer hinaus. Innerhalb der Reichsgrenzen gab es kein Pfefferanbau-Gebiet. Wie also kam der Pfeffer nach Rom? Die Spuren, die ich im antiken Rom finde ergeben mehr Fragen als Antworten. Vielleicht kam der Pfeffer nach dem Indien-Feldzug von Alexander dem Grossen nach Rom? Vielleicht brachten ihn arabische Händler, vielleicht Ägypter? Oder handelten schon die Phönizier mit Pfeffer? Ich verlasse Rom und begebe mich an eine der Quellen des Pfefferhandels: Der Hafen von Muziris.
Die Historiker streiten sich darüber, ob sich der Hafen in der heutigen indischen Stadt Kodungallur befand oder im ungefähr zwei Kilometer nördlich gelegenen Cheraman Parambu oder in der Gegend von Pattanam zirka neun Kilometer südlich von Kodungallur.
Die älteste Beschreibung des Hafens findet sich in der klassischen tamilischen Sangam Literatur. In einem der Gedichte der Ettuttokai-Sammlung, dem Akananuru (149.7-11) besingt der Dichter „Die geschäftige Stadt Muziri“, wohin die „schönen, grossen Schiffe der Yavana Gold bringen“ und den sie dann, „mit Pfeffer beladen verlassen“.
Meine Intuition sagt mir, dass mit „Yavana“ wahrscheinlich Händler aus Java, also Indonesien gemeint sind. Merke aber schon nach einer kurzen Recherche, dass ich in die falsche Himmelsrichtung spekuliert habe: Yavana ist Sanskrit. Es handelt sich dabei um eine indische Aussprache mit der schon im indischen Epos Mahābhārata Griechen bezeichnet werden – Yavana sind Ionier.
In einem Periplus, also einer Art antiken Wegbeschreibung, dem anonymen Periplus Maris Erythraei, wird Muziris als einer der führenden Häfen erwähnt. Als Grund für Muziris Wichtigkeit werden die grossen Mengen an Lorbeer und Pfeffer genannt, die dort umgeschlagen werden – soweit nichts Neues, interessant jedoch scheint mir folgender Hinweis: Der Verfasser erzählt, dass die grossen Mengen von Pfeffer nur in einer Region, nahe dieser Häfen angebaut werde – in Cottonara, wahrscheinlich das heutige Kuttanad im heutigen südindischen Budesstaat Kerala.
Bei Plinius dem Älteren findet sich ein Hinweis auf Cottonara, als dem Ort, “aus dem man Pfeffer in Kähnen, die aus einem Stamm gezimmert sind bringt.” Weiter erzählt er auch, dass mit günstigen Winden von Okelis aus, in 40 Tagen den Hafen von Muziris erreichbar sei, rät doch von dessen Besuch ab, wegen der Seeräubern aus der Gegend von Nitria (ich nehme an, das ist heute Karwar in Karnataka). Er beklagt weiter, dass es dort nur wenig Ware gebe und dass der Ankerplatz zu weit vom Lande entfernt sei.
Die ungenauen Datierungen des Akananuru und des Periplus machen eine Interpretation schwierig: Ist von den selben Häfen die Rede? Stützt sich der Periplus auf ältere Quellen? Sind die Piraten die Folge aus dem reichen Handel, der von Muziris ausging? Ich denke, ich verweile noch eine Weile an der Malabar-Küste.