Teil 39: Vasco da Gama und warum Sivaraj und seine Freunde demonstrativ ins Meer pinkelten
Es war ein gemütlicher Abend bei Sivaraj, in den Bergen oberhalb der Malabarküste in Kerala (Südindien). Wir plauderten von diesem und jenem, unter anderem auch von den Jugendunruhen und Studentenprotesten der 1980er-Jahre – es ging dabei vor allem um das Ungleichgewicht zwischen symbolischem Protest und den tatsächlichen Veränderungen der Realität.
Warum genau Vasco da Gama mit der Expedition nach Indien beauftragt wurde ist historisch nicht ganz klar: Waren es seine guten Beziehungen zum portugiesischen König Manuel I und die Tatsache, dass sich bereits Vascos Vater stark für die Suche einer Route nach Indien um Afrika eingesetzt hatte? War Vasco da Gama vielleicht doch ein begabter Seemann, wie andere behaupten?
Am 8. Juli 1497 verlässt er, begleitet von den besten Steuerleuten und Navigatoren Portugals, Lissabon. Er segelt entlang der westafrikanischen Küste bis zum Kap der Guten Hoffnung und dann an der afrikanischen Ostküste nordwärts bis zum heutigen Malindi, etwas nördlich von Mombasa/Kenia, von wo aus er den indischen Ozean überquert. Am 20.Mai 1489 erreicht er Calicut.
Die Suche nach einem Seeweg, der es ermöglichen würde, Pfeffer direkt in Indien zu beziehen, war keine Idee da Gamas. Schon lange vor ihm, fanden Expeditionen statt, die sich die Umschiffung Afrikas zum Ziel gesetzt hatten.
Bereits 1291 machten sich genuesische Seefahrer auf den Weg nach Indien. Die Expedition scheiterte und kam vermutlich nicht weiter als Senegal.
Ab 1418 veranlasste der portugiesische Prinz Heinrich der Seefahrer zahlreiche Expeditionen entlang der afrikanischen Westküste und liess diese sauber kartografieren.
Bartolomeu Diaz, der da Gama begleitete, hatte bereits 1488, das Kap der Guten Hoffnung umsegelt und somit der Seeweg nach Indien gefunden. Da seine Matrosen unter Skorbut litten und kurz mit einer Meuterei drohten, musste Diaz umkehren.
Da Gama hat den Seeweg nach Indien nicht entdeckt, sondern er hat ihn für die portugiesische Krone nutzbar gemacht, im besten Fall war er ein Abenteurer. Für Indien war da Gama der Vorbote des europäischen Kolonialismus.
Aus der Sicht junger Inder, die in den 1980er-Jahren von Demokratie, Gerechtigkeit und der Abschaffung des Kastensystems träumten, gab der Jahrestag von da Gamas Ankunft in Calicut keinen Anlass zum Feiern.
Sivaraj und seine Freunde hatten damals beschlossen, den Jahrestag der Entdeckung mit einer Protestaktion zu feiern und kollektiv am Strand von Calicut ins Meer zu pinkeln.
So symbolisch und wirkungslos diese Urin-Barrikade auch gewesen sein mag, irgendwie, macht sie doch Sinn.