Teil 38: Venedigs Pfeffermonopol und die These eines globalen Marktes
Ich frage mich, ob in Anbetracht der aktuellen Globalisierung der Märkte tatsächlich von einer spätmittelalterlichen Weltwirtschaft die Rede sein kann.
Wenn ich jedoch meinen Blickwinkel auf den Pfefferhandel beschränke, erhält diese Theorie eine gewisse Plausibilität.
Das ursprüngliche Anbaugebiet von Pfeffer war bekanntlich Indien und der Handel mit Europa verlief anfänglich nicht direkt. Seit der Antike besassen die Araber das Monopol auf dem Pfeffer, der nach Europa gelangte. Nach dem Fall des römischen Reiches festigten die Araber die Kontrolle über den Pfefferhandel zusätzlich, indem sie die ägyptische Konkurrenz ausschalteten.
Im Zusammenhang mit den Kreuzzügen, die von Venedig eher aus ökonomischen als aus religiösen Überlegungen gefördert wurden, gelingt es der Republik Venedig, nach dem Fall von Konstantinopel, das Monopol über den Handel mit den Arabern an sich zu reissen. Die Rivalität mit der anderen wichtigen Handelsstadt, Genua, entscheidet sich 1380 mit dem militärischen Sieg Venedigs.
Ab diesem Zeitpunkt beherrscht die Serenissima, den gesamten europäischen Pfeffermarkt. Mit ihrer Pfeffer-Flotte, 2500 Schiffe mit zehntausenden von Matrosen, bestimmt die Republik die Pfefferpreise und häuft schwindelerregende Mengen von Kapital an.
Dieses Monopol ruft den Neid anderer europäischer Herrscher hervor und führt schlussendlich dazu, dass die sich die Seefahrer Kolumbus (1492) und Vasco da Gama (1498) alternative Reiserouten nach Indien suchen. Diese «Entdeckungsreisen» finden nach der endgültigen Rückeroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) statt. Diese waren darum bestrebt, den Pfefferhandel unter ihre Kontrolle zu bringen und die Preise für den europäischen Pfeffer zu bestimmen.
Mit da Gamas Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung tritt Lissabon Venedigs Nachfolge an. Die Gewinne, die der Pfefferhandel zu diesem Zeitpunkt abwirft, lagen bei 600%, Tendenz steigend.
Dass ein Gut von einem Kontinent zum anderen transportiert wird, rechtfertigt den Begriff «Welthandel» noch nicht. Was jedoch stark an das gegenwärtige Weltwirtschaftssystem erinnert, ist die Metamorphose, die das Geld durchläuft, wenn es vom Zahlungsmittel zu einem Handelsgut wird. Gewiss wurden Teile der Profite in den Ausbau der Infrastruktur investiert und Teile davon flossen auch in den Bau luxuriöser und atemberaubender Paläste und Bauten. In der Blütezeit Venedigs liegen auch die Ursprünge des Bankwesens, der Finanz- und Kapitalmärkte und damit verbunden die Anfänge der Schrecken des Kolonialismus, später Imperialismus und der daraus resultierenden zwei Weltkriege mit allen ihren Spätfolgen, zu deren Wunden nun die neuen Verletzungen der sogenannten Globalisierung hinzukommen.